In einem sachlich gehaltenen FAQ-Dokument stellt Verwaltungsdirektor Büttner (SWR) zusätzlich zum Intendantenbrief die Ansichten der ARD-, DW- und DLF-Oberen zu den Verhandlungen zur "Reform der betrieblichen Altersversorgung" dar.
Mittels unserer Fakten nähern wir uns diesen 'oft gestellten Fragen' einordnend an.
Die ARD hat hier eine ihrer berühmt-berüchtigten Verknüpfungen hergestellt: Es gibt keine Versorgung für die Zukünftigen, solange es nicht die geforderte Verschlechterung bei VTV und Gesamtversorgung gibt.
Völlig unverständlich ist für uns die Ausdehnung dieses Junktims auch auf zusätzliche Änderungen beim VTV, denn die dort diskutierten Änderungen sind weitgehend nur Umschichtungen mit Vorteilen für beide Seiten – bei leichtem Absinken des laufenden Aufwandes für die Anstalten. Sei’s drum, vielleicht glaubt die Arbeitgeberseite so schneller eine Lösung erreichen zu können.
Unsere Erfahrung ist allerdings, dass die Komplexität von Paketen einer raschen Einigung eher im Wege steht als sie befördert.
Ja, das ist richtig. Allerdings auf beiden Seiten mit jeweils einem lachenden und einem weinenden Auge. Für die Berechtigten verbessern sich in vielen Fällen die bisher exorbitant hohen Abschläge bei vorgezogener Inanspruchnahme (bisher bis zu 1% pro Monat bzw. 12% pro Jahr!). Aber andererseits gab es bisher keine Abschläge bei Rentenbeginn über 65, in Zukunft gilt das erst ab Erreichen der Regelaltersgrenze.
Für die Anstalten bewirkt die damit einhergehende Streckung der Ausfinanzierung von 65 Lebensjahren auf die Regelaltersgrenze eine moderate Reduzierung ihrer monatlichen Beitragshöhe.
Nach Aussage des Verwaltungsdirektors des SWR Jan Büttner: Ja.
Doch das ist unzutreffend!
ver.di hat mehrfach in den Tarifverhandlungen reklamiert, dass kein Einvernehmen besteht bezüglich der Verteilungsgrundsätze. Nach Vorstellungen der Arbeitgeberseite sollen in den unteren und mittleren Gehaltsgruppen vom Arbeitgeber deutlich niedrigere Beitragsprozentsätze gezahlt werden als in den oberen.
So etwas gibt es nicht im öffentlichen Dienst (ÖD), den man uns ständig vorhält, nicht bei den Beamtenpensionen, nicht bei der Pensionskasse der Freien und schon gar nicht beim Versorgungswerk der Presse. Überall bekommen Groß und Klein ein und denselben Prozentsatz ihres Gehalts in eine Versicherung eingezahlt, beim Versorgungswerk der Presse in Anlehnung an die gesetzliche Rentenversicherung sogar begrenzt nur bis zu einer Beitragsbemessungsgrenze.
Übertragen auf den BR würden die Vorstellungen der Arbeitgeberseite bedeuten, dass der BR in der Endstufe der Gehaltsgruppe 6 bei einem Gehalt von gut 4.200 € einen Beitrag von etwa 203 € zahlen würde. In der Endstufe der Gruppe 16 mit knapp 8.400 € Gehalt wären es hingegen etwa 876 €: Bei fast genau dem doppelten Gehalt also gleich 4,3mal so viel!
ver.di ist einverstanden mit dem Volumen, das sich auf gut 7% der Gehaltssumme beläuft. Nicht aber mit der ungerechten Verteilung von 4,6 bis 10,5% des Gehalts.
In der Grundsatzfrage gab es bisher keinerlei Annäherung. Die Grundsatzfrage lautet, ob Eingriffe in jahrzehntealte bereits erdiente Anwartschaften gerechtfertigt und deshalb Verschlechterungen an VTV und Gesamtversorgung vertretbar sind.
Die ARD besteht auf Kürzungen mit einem Gesamtvolumen von etwa 690 Millionen Euro, kann dafür aber keinen rechtfertigenden Grund („triftiger“ Grund im Sinne der Rechtsprechung) benennen.
Die Gewerkschaften sagen unisono, dass sie bereit wären, die Ursachen von „triftigen“ Gründen zu beseitigen.
Ohne rechtfertigende Gründe bleiben wir allerdings beim Nein, denn Spardruck rechtfertigt vielleicht sparsam Haushalten, nicht aber Eingriffe in bereits langjährig erworbene Anwartschaften.
Dass die Verhandlungen nun schon über drei Jahre dauern, hat mehrere Gründe. Zum einen ist es eben nicht besonders hilfreich, über mehrere komplexe Themen gleichzeitig zu verhandeln.
Entscheidender aber ist, dass in der zentralen Frage keine gemeinsame Sichtweise besteht, nämlich ob überhaupt in die bestehenden Versorgungszusagen eingegriffen werden darf und muss.
An Ideen, wie und unter welchem Vorwand die Gewerkschaften die bestehenden Versorgungstarifverträge verschlechtern könnten, hat es die ARD in der Tat nicht mangeln lassen. Allerdings war allen diesen „Angeboten“ gemein, dass langfristig die geforderten 690 Millionen herausspringen müssen ....
Nicht kreativ hingegen hat sich die ARD bei der Beantwortung der Frage gezeigt, ob die Kürzungen denn überhaupt vorgenommen werden dürfen und müssen.
Alternativ hätte sie uns vielleicht auch anbieten können, einen erheblichen Teil des Volumens umzuschichten statt zu kürzen, ihn also den Beschäftigten in anderer Form zugutekommen zu lassen.
Aber nein: Es müssen nach wie vor genau jene 690 Millionen gekürzt werden.
Unter Ausklammerung der Grundsatzfrage, nämlich ob überhaupt eingegriffen wird, wäre man sich einig über das Wie. Wenn es tatsächlich rechtfertigende Gründe geben sollte (wonach es ja zumindest aus unserer Sicht bisher nicht aussieht), dann sind sich alle Tarifparteien heute schon weitestgehend einig, wie der Eingriff realisiert würde. Wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei das Verursacherprinzip, durch das vermieden wird, dass die Bezieher kleiner Versorgungsleistungen am Ende den Erhalt der vielfach höheren Versorgungsbezüge anderer mitfinanzieren müssen. Also weder bei VTV und Gesamtversorgung ein Über-einen-Kamm-Scheren, noch bei niedrigen und hohen Versorgungsleistungen.
Bezüglich der Grundsatzfrage sind sich alle drei Gewerkschaften bisher einig:
Ohne einen rechtfertigenden „triftigen“ Grund kein Eingriff.
Vielleicht hat einer der Vertreter von ver.di am deutlichsten ausgedrückt, dass das nicht irgendein Argument ist, sondern ein Essential.
Bezüglich der Frage der Verteilungsgerechtigkeit beim neuen BTVA sind in der Tat wir, ver.di, die einzigen, die das ungerecht finden und sich deshalb der Prozentstaffel verweigern.
Bei der Altersversorgung will der Arbeitgeber aktuell etwas von uns:
Die Gewerkschaften sollen die Tarifverträge verschlechtern, damit er größere Geldbeträge frei bekommt für Dinge, die ihm wichtiger sind.
In der Gehaltstarifrunde wollen wir etwas vom Arbeitgeber:
Mehr Gehalt für die Arbeit der Beschäftigten, damit die nicht vollständig von der allgemeinen Einkommensentwicklung im Lande abgehängt werden.
Das erscheint dem Arbeitgeber als passende Gelegenheit um Druck zu machen: Und bist du nicht willig, so ... werde ich die Gehälter der Beschäftigten eben weniger erhöhen als vertretbar.
Die Beschäftigten kann ein solches Verhalten nicht mehr allzu sehr überraschen, schließlich ist dieses Ritual inzwischen fast schon Gewohnheit.
So sehen es die Anstalten. Für uns ist der Sachverhalt ein anderer:
In der letzten Gehaltsrunde gab es im ÖD der Länder eine nominale Tariferhhöung in zwei Schritten um insgesamt 4,4%. Aber ausgezahlt bekamen die Beschäftigten dort am Ende alle nur 4%. Die Differenz von 0,4% wurde als „Eigenbeteiligung“ deklariert und abgezogen.
Wir haben uns darauf eingelassen, die Gehälter der Rundfunkbeschäftigten effektiv in gleichem Umfang anzuheben wie die tatsächlich ausgezahlten Gehälter im ÖD. Die Arbeitgeberseite bot uns dazu eine Art Gutschein an: Wenn die Gewerkschaften die Verschlechterung der Altersversorgung doch noch ermöglichen, dann bekommen alle Rundfunkbeschäftigten eine Nachzahlung auf die nominalen 4,4% des ÖD.
Jetzt erinnert man uns daran, dass dieser Gutschein bald verfallen wird. Aber sollten wir dafür den Beschäftigten einen Verzicht auf langfristig insgesamt 690 Millionen Euro zumuten? Da würden wir doch zu Recht als Hans im Glück gelten.
Im diesjährigen Abschluss des ÖD der Länder gibt es im Übrigen keinen Unterschied zwischen nominal und effektiv, die sogenannte Eigenbeteiligung wurde nicht erneut bemüht.
Mit dieser Erkenntnis hat uns Herr Büttner beim letzten ARD-Tarifgespräch am 11. Januar 2017 in Berlin überrascht. Der Intendant des NDR Lutz Marmor hatte uns wegen unserer fragenden Gesichter beruhigt, auch er habe das erst „heute Morgen“ gelernt, diese Erkenntnis sei brandneu.
Natürlich haben wir danach alle erreichbaren Fachleute in Bewegung gesetzt, aber keiner konnte uns diesen Effekt bestätigen. Ja, die Netto-Brutto-Relation schwankt bei Arbeitnehmern und Rentnern unterschiedlich. Ja, es kann durchaus sein, dass bei einer prozentual gleichen Erhöhung von Gehalt und Versorgungsleistung einmal die Rentner beim Netto stärker profitieren als die Arbeitnehmer. Aber das Gegenteil tritt genauso oft ein – langfristig gibt es da keine Tendenz.
Beim Vergleich der langfristigen Entwicklung der Nettogehälter und der Nettoeinkommen der Rundfunkrentner zeigt sich, dass das Netto der Rentner sogar systematisch zurückbleibt. Daran ist aber nicht der Rundfunk schuld, sondern die bewusst gestaltete Gesetzgebung.
2004 wurde der Krankenversicherungsbeitrag auf die Versorgung schlicht verdoppelt.
Seit 2005 werden Renten Jahr für Jahr stärker besteuert.
Seit etwa 2002 bereits steigen die gesetzlichen Renten tendenziell langsamer als die Durchschnittseinkommen.
Dass es da immer wieder Ausreißer in beide Richtungen gab und in Zukunft geben wird, ist unbestritten:
Seit 2002 gab es vier Nullrunden, dafür aber 2016 ein Plus 4,25% bei der gesetzlichen Rente.
Wir sind sehr überrascht, dass das nun als Information der Beschäftigten verbreitet wird
– Dämmerung eines postfaktischen Zeitalters?
Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs hat die Aufgabe, den Bedarf der Rundfunkanstalten aufgrund ihres gesetzlichen Auftrags zu bestimmen.
Die KEF hat dabei u.a. auch geltende Tarifverträge zu berücksichtigen. Vorschläge der KEF zur Verschlechterung bestehender Tarifverträge sind keinesfalls von „übergeordneter Stelle“ gesetzte Vorgaben für die Tarifparteien, das verbietet schon die im Grundgesetz verankerte Tarifautonomie. Aus Sicht der Gewerkschaften ist die KEF allenfalls Teil der Arbeitgeberseite.
Die Anstalten führen gerne ins Feld, sie dürften nicht, die KEF erlaube es nicht. Für den Fall, dass die Intendanten sich tatsächlich nicht befugt sehen sollten, eigenständig Entscheidungen zu treffen, haben wir schon des Öfteren angeboten, Tarifverhandlungen direkt mit der KEF zu führen – schließlich handeln im ÖD die Dienststellen- und Behördenleiter auch keine Tarifverträge aus, das macht dort eine politisch besetzte übergeordnete Kommission der Arbeitgeber ....
Formal geht das natürlich nicht, die KEF ist ja kein Arbeitgeber.
Die Gewerkschaften haben keinen direkten Zugang zur KEF, deren Berichte entstehen ausschließlich in Rückkopplung mit den Anstalten.
Vielleicht sollten die Intendanten der KEF selbstbewusster entgegentreten, wenn die sich wieder einmal in Angelegenheiten einmischt, für die nicht sie zuständig ist, sondern die Intendanten.
Wir beneiden die Intendanten nicht um diesen Teil ihrer Aufgaben. Aber wenn die KEF die Anerkennung von angemeldetem Programmaufwand im Volumen von 100 Millionen Euro davon abhängig macht, dass die Tarifparteien bestimmte Tarifvertragsänderungen vornehmen, dann ist eine Grenze überschritten.
In unseren Augen wäre es die Pflicht der Intendanten, derartiges Tun der KEF vom Bundesverfassungs-gericht stoppen zu lassen. – Leider entscheiden sich die Intendanten jedoch für den ihnen leichter erscheinenden Weg, nämlich ihre Beschäftigten unter Druck zu setzen.
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